Saddam Hussein und die Todesstrafe

Dezember 31, 2006 um 5:57 pm | Veröffentlicht in Middle East | 2 Kommentare

Zunächst möchte ich ganz kurz die Aufmerksamkeit auf die auffallendste Erfindung der französischen Revolution, die Guillotine, lenken. Ursprünglich sollten mit deren Hilfe besonders grausame Methoden wie „Foltern“ oder „Rädern“ abgeschafft werden. Dieses Gerät sollte auch die „Ungleichheit“ der Delinquenten bei Hinrichtungen beseitigen, denn zunächst wurden nur Adelige geköpft, während einfache Leute gehenkt wurden. Zu den ersten Opfern gehörten damals Ludwig XVI. und Marie Antoinette.

Der Wunsch der Franzosen, statt ihrer Monarchie einen modernen Staat zu schaffen, ging zunächst nicht in Erfüllung. Nachdem unter der Schreckensherrschaft von Maximilien de Robespierre „die Köpfe rollten“, übernahm Napoleon Bonaparte die Macht, sodass die Guillotine, insgesamt betrachtet, nur zahlreiche Menschenleben kostete und Frankreich weder Freiheit, Demokratie oder Frieden gebracht hat. Die Diskussion darüber, ob nachlässige und gedankenlose Herrscher hingerichtet werden sollten, hält bis zum heutigen Tag an.

Zum erneuten Gesprächsstoff wurde dieses Thema durch die Hinrichtung Saddam Husseins im Irak. Dieser wurde am Morgen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit hingerichtet. Wie irakische Fernsehsender unter Berufung auf das Außenministerium in Bagdad berichteten, wurde der 69-Jährige am 30. Dezember 2006 im Morgengrauen gegen 06.00 Uhr Ortszeit (0400 MEZ) gehängt. Er selbst hatte unzählige Menschenleben auf dem Gewissen und sah es seinerseits als durchaus legitimes Recht sein, seine Gegner mit dem Tod zu bestrafen.

Nach Beendigung des zweiten Golfkrieges, in dem die Streitkräfte der Koalition den Irak für die Okupation Kuweits bestraften, stachelte G.W.B. sen. durch Flugblätter zum Widerstand gegen die Baath-Partei auf. Daraufhin zogen die Schiiten gegen Bagdad. Sie wurden damals – ebenso wie die aufständischen Kurden im Norden – verraten, da G.W.B. sen. den Rückzug der Entmachtung Saddam Husseins vorzog. Dieser konnte sich durchsetzen und inszenierte wiederum Massenhinrichtungen bei den Schiiten und setzte auch Giftgas ein gegen die Kurden.

Der Irak steht nach wie vor am Rand eines Bürgerkrieges und niemand kann sagen, welche der zahlreichen Interessensgruppen sich letztendlich langfristig durchsetzt. Der jetzigen Regierung bleibt der Vorwurf nicht erspart, dass sie ihrerseits keine Ordnung im Land halten kann und dass ihr Verhalten gegenüber politischen Gegnern und Gefangenen nach europäischen Maßstäben nicht einwandfrei ist.

Trotz berechtigter Ablehnung der Todesstrafe muss man zugeben, dass es in diesem besonderen Fall unrealistisch gewesen wäre, der irakischen Regierung die Hinrichtung des Exdiktators Saddam Hussein zu verbieten. Vielleicht aber hätten die Menschenrechtsorganisationen durchsetzen können, diese solange aufzuschieben, bis eine konsolidierte Regierung im Irak vorhanden ist und die Gefahr, dass die Hinrichtung Saddam Husseins einen Auftakt für Massenhinrichtungen bilden könnte, gebannt ist.

Insgesamt sorgen die generellen Proteste der Menschenrechtsorganisationen gegen Hinrichtungen dafür, dass doch immer wieder die unangenehme Tatsache ins Licht der Öffentlichkeit gerückt wird, dass auch in vielen anderen Ländern die Frage, inwieweit die Todesstrafe eine angemessene Form der Bestrafung für Verbrechen darstellt, noch längst nicht im Sinn von „Human Rights“ gelöst ist.

Es ist und bleibt wohl immer Geschmacksache, wer wen weshalb aufhängt. Die oben zitierte Guillotine wurde übrigens im Dritten Reich „Fallbeil“ genannt. Zu den bekanntesten Opfern des Fallbeils gehörten – damals – die Mitglieder der Weißen Rose, darunter Sophie und Hans Scholl. Nicht vergessen sollte sein, dass in Deutschland gegen Donald Rumsfeld und andere Verantwortliche Strafanzeigen wegen Misshandlung von Gefangenen eingeleitet wurden. Das Verfahren läuft noch. Die USA verweigern dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag die Anerkennung.

Eine andere Frage ist die, inwieweit eine Tötung überhaupt schmerzfrei sein kann. HRW, Human Rights Watch, veröffentlichte einen wahrhaft erschreckenden Bericht über den Einsatz der Giftspritze bei der Hinrichtung von Delinquenten in den USA. Senator John Kerry, der 2004 als Präsidentschaftskandidat für die Demokraten aufgestellt wurde, aber die Wahlen gegen G.W.B. verlor, sprach sich im Gegensatz zu diesem dafür aus, die Todesstrafe, von Extremfällen (Terrorismus) abgesehen, weitgehend abzuschaffen.

Niemals, denke ich, können westliche Länder verlangen, dass islamische Nationen humane Standards akzeptieren, wenn diese bereits in den eigenen Reihen nicht zu deren Einhaltung bereit sind. Abgesehen vom humanen Aspekt sollte es von generellem Interesse sein, der Todesstrafe, einer gefährlichen Einfallsstraße für Tyrannei und Unterdrückung, den Riegel vorzuschieben. Es ist schade, dass sich das Christentum viele Jahrhunderte hindurch nicht aufraffen konnte, gegen die Verhängung der Todesstrafe ernsthaft Stellung zu nehmen, sodass diese sogar in dem christlichen Land USA nach wie vor fest verankert ist.

Für mein Heimatland Österreich erzeugte es eine sehr unangenehme Auseinandersetzung, als Arnold Schwarzenegger in seinem Amt als Gouverneur von Kalifornien nicht bereit war, gegen die dort übliche Verhängung der Todesstrafe bei schweren Verbrechen aufzutreten. Nur – was kann Österreich alleine schon machen, wenn der Rest Europas nicht sieht, dass auch die westliche Gesellschaft längst nicht so perfekt ist, wie sie aussehen sollte bzw. könnte?

Im Zusammenhang mit der Diskussion um die Berechtigung der Todesstrafe wurde zu wenig bedacht, dass Glaube an das „Ewige Leben“, an die Bestrafung von Gut und Böse im Jenseits sowohl bei Christen als auch bei Moslems bei der Urteilsgebung mit einfließt.

In Anbetracht dessen, dass weder Religion noch Wissenschaft bis jetzt den definitiven Gottesbeweis erbringen konnten, geht mittlerweile der Großteil der westlichen Gesellschaft stillschweigend davon aus, dass mit dem Tod nicht nur der Körper, sondern auch die Seele, das Bewusstsein des Menschen für immer zerstört wird.

Aus diesem Blickwinkel betrachtet, erscheint Agnostikern und Atheisten die Todesstrafe als wesentlich grausamer als dies für gläubige Menschen der Fall ist. Deshalb sollte es also für eine moderne Gesellschaft im „Zeitalter der Vernunft“ selbstverständlich sein, dass dieses Relikt der Vergangenheit im 3. Jahrtausend immer weiter verdrängt wird.

Quelle

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  1. […] Auch, wenn Scot W. Stevenson, der Autor des Weblogs, davon ausgeht, dass es in einer Demokratie dem Volk möglich ist, die vorhandene Rechtslage zu ändern, kann man insgesamt nicht sagen, dass es G.W.B. jemals ein persönliches Anliegen war, sich für die Abschaffung bzw. für eine möglichst moderate Anwendung der Höchststrafe einzusetzen (siehe auch Posting). […]

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